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Kollektivvertrag vs. Arbeitsvertrag: Was Sie als Arbeitgeber unbedingt beachten müssen


Ein Arbeitsverhältnis in Österreich basiert auf einem komplexen rechtlichen Fundament. Während der Arbeitsvertrag die individuelle Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt, legt der Kollektivvertrag die Rahmenbedingungen für eine ganze Branche fest. Als Arbeitgeber ist es essenziell, die Hierarchie dieser beiden Dokumente zu verstehen, um rechtliche Fehler zu vermeiden und faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.


Der Kollektivvertrag: Die Branchen-Verfassung

Der Kollektivvertrag (KV) ist eine schriftliche Vereinbarung, die zwischen einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeberseite (meist einer Wirtschaftskammer oder einem Arbeitgeberverband) und der Arbeitnehmerseite (meist einer Gewerkschaft) geschlossen wird. Er gilt als rechtliche "Branchen-Verfassung" und hat Gesetzescharakter.

Ein KV legt für alle Arbeitnehmer einer Branche oder eines Sektors verbindliche Mindeststandards fest. Zu den wichtigsten Regelungen gehören:

  • Mindestgehälter und Einstufungen.

  • Arbeitszeitregelungen (z.B. Normalarbeitszeit, Überstundenzuschläge).

  • Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld).

  • Urlaubsansprüche und Sonderurlaube.

  • Kündigungsfristen und -termine.


Der Arbeitsvertrag: Die individuelle Vereinbarung

Der Arbeitsvertrag ist die persönliche Vereinbarung zwischen Ihnen als Arbeitgeber und Ihrem zukünftigen Mitarbeiter. Er regelt die spezifischen Konditionen des individuellen Dienstverhältnisses, die nicht bereits durch den KV abgedeckt sind.

Typische Inhalte eines Arbeitsvertrags sind:

  • Funktion und Stellenbeschreibung.

  • Beginn des Arbeitsverhältnisses.

  • Individuell vereinbartes Gehalt.

  • Dienstort und Arbeitszeiten.

  • Probezeit und eventuelle Konkurrenzklauseln.


Das Günstigkeitsprinzip: Wer hat Vorrang?

Das Herzstück des österreichischen Arbeitsrechts ist das Günstigkeitsprinzip (§ 3 Arbeitsverfassungsgesetz). Es besagt, dass die Regelung, die für den Arbeitnehmer günstiger ist, Vorrang hat.

Das bedeutet: Der Kollektivvertrag legt die Untergrenze fest. Ihr Arbeitsvertrag darf diese Untergrenze nicht unterschreiten, aber er kann sie jederzeit verbessern. Klauseln im Arbeitsvertrag, die schlechter sind als die Bestimmungen im Kollektivvertrag, sind rechtlich ungültig.

Stellen Sie sich den KV als den Boden einer Pyramide vor. Jede weitere Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung) kann die Pyramide nur nach oben bauen, nicht den Boden absenken.


Was Sie als Arbeitgeber unbedingt beachten müssen: Praktische Beispiele

Die Missachtung des Günstigkeitsprinzips kann zu Nachzahlungen und rechtlichen Konsequenzen führen. Beachten Sie daher folgende Punkte:

  • Gehalt: Wenn der KV für eine Position ein Mindestgehalt von € 2.500 brutto vorsieht, können Sie im Arbeitsvertrag € 2.800 anbieten. Vereinbaren Sie jedoch nur € 2.400, ist diese Klausel ungültig und der Mitarbeiter hat einen Rechtsanspruch auf die im KV festgelegten € 2.500.

  • Arbeitszeit: Sie dürfen in einem Arbeitsvertrag keine 40-Stunden-Woche vereinbaren, wenn der Kollektivvertrag eine Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden festlegt, ohne die Differenz als Überstunden zu vergüten.

  • Kündigungsfristen: Wenn der Kollektivvertrag für eine bestimmte Betriebszugehörigkeit eine längere Kündigungsfrist vorsieht als im Arbeitsvertrag oder im Gesetz, gilt die längere Frist des KVs, da diese für den Arbeitnehmer günstiger ist.


Fazit und Handlungsempfehlungen

Die korrekte Anwendung von Kollektiv- und Arbeitsvertrag ist eine grundlegende Pflicht jedes österreichischen Arbeitgebers. Eine Nichtbeachtung kann nicht nur finanzielle, sondern auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben und das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter massiv beschädigen.

Ihre Handlungsempfehlungen:

  • Klären Sie Ihren KV: Finden Sie heraus, welchem Kollektivvertrag Ihr Unternehmen unterliegt.

  • Prüfen Sie vor Abschluss: Überprüfen Sie jeden Arbeitsvertrag sorgfältig, um sicherzustellen, dass alle Konditionen den Mindeststandards des Kollektivvertrags entsprechen oder diese sogar übertreffen.

  • Dokumentation: Bewahren Sie alle relevanten Dokumente, insbesondere den gültigen Kollektivvertrag, sorgfältig auf.

Im Zweifelsfall empfiehlt sich stets die Konsultation eines Arbeitsrechtsexperten oder einer Wirtschaftskammer, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden.



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